Eine Berliner Schulklasse hat sich gemeinsam mit Künstlern
aus Tschechien Gedanken um „Gevatter Tod“ gemacht.
In Deutschland und großen Teilen der westlichen Welt ist Schwarz oder tiefes Dunkelblau vorherrschende Trauerfarbe. Allerdings war „Gevatter Tod“ nicht von jeher der gruselige, grausame und unerbittliche „schwarze Mann“, oft nahm er Allerweltsgestalt an, ein Typ wie du und ich. Der Tod ist eine ernste Sache, der Umgang mit ihm weltweit unterschiedlich. Gemeinsam mit tschechischen Künstlern erkundete eine Berliner Oberschulklasse, welche Trauerrituale in der Welt gebräuchlich sind. Dazu wurde dem Tod in der Kunst – in Form alter Gemälde, Zeichnungen und Fotografien – nachgegangen. „Gibt es ein Leben nach dem Tod?“,
lautete eine der zentralen Fragen, die zwischen den Jugendlichen heftig diskutiert wurde, als ein gleichaltriges Mädchen aus der Schule nach schwerer Krankheit verstarb.
Ein gerechter Tod?
In Märchen und traditionellen Überlieferungen kommt der Tod oft als unbestechlicher „Geselle“ daher. Als Gerechter, mit dem man reden und bisweilen sogar verhandeln kann. Als „Gevatter Tod“ wird er respekt- und beinahe liebevoll verklärt – als käme der Tod immer zur passenden Zeit und wäre dann auch noch gerecht. „Wenn Kinder sterben, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben“, so die entscheidende Erkenntnis der Schüler, „dann ist der Tod ein Idiot.“ Aus Sicht der Jugendlichen wäre das die ultimative Erklärung, den Künstlern aus dem Nachbarland reicht das jedoch nicht. Sie fordern die Klasse auf, über eigene Verluste nachzudenken. Über das, was man einem „Schicksal“ in die Schuhe schieben könnte oder unglücklichen „Umständen“, bei Unfällen etwa.
Der Tod in der Kunst
Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Tod schließlich löste die allgemeine Sprachlosigkeit. Über die Bilder wurden Erlebnisse ausgetauscht, oft verbunden mit Schilde- rungen aus den Medien. Nachrichten spielen für Jugendliche oft eine große Rolle, wenn es um das Sterben geht. In weltweiten Konflikten, durch Naturkatastrophen oder nach tragischen Unglücken. Der Tod, so die Meinung der meisten Schüler, ist dann sinnlos. „Wann aber hat der Tod denn Sinn?“, fragte Tereza, Künstlerin aus Ostrava, und auch da waren sich die Jugendlichen fast einig: „Wenn jemand nach langem Leiden erlöst wird“, oder „… wenn alles nur noch an Maschinen hängt.“
Die eine Erklärung gibt es nicht
Während Künstler wie Albrecht Dürer oder Bernt Notke dem Tod in ihren Bildern eindeutige Identifizierungsmerkmale verleihen, bleiben die Schüler mit ihren Bildbeschreibungen abstrakt. Totenköpfe oder Skelette haben als Symbole zumindest in dieser Klasse ausgedient. Vielleicht, weil solche Darstellungen der Science-Fiction-Welt zugeordnet werden, vor allem aber, weil insbesondere das weltweite Kriegssterben von den Jugendlichen als tägliche Realität wahrgenommen wird. „Selbst, wenn nur wenige von uns bewusst erlebt haben, wie nahe Angehörige sterben“, scheint Isabell sicher, „ist der Tod doch irgendwie allgegenwärtig.“ Zum Beispiel, weil sich Eltern und Großeltern in Gegenwart der Jugendlichen darüber austauschen. Der Großvater von Max raunt dann halb im Scherz: „Die Einschläge kommen näher.“ Max findet das nicht lustig. „Es ist gut, wenn man noch Großeltern hat“, behauptet er leise. Und seine Freunde nicken.
Am Ende des Ausflugs in die Kunst und die nicht eben leichte Kost nahmen sich viele Schüler vor, mehr Zeit mit ihrer Familie und Freunden zu verbringen. Was von den guten Vorsätzen bleibt, ist jedoch unklar. Zumindest auf ein Leben nach dem Tod konnten sich die meisten einigen. Fernab jeglicher Religiösität waren sie sich einig, dass es „weitergehen muss“, in „irgendeiner anderen Welt“, wo „Gevatter Tod“ nichts mehr zu melden hat. Solche Vorstellungen sind gar nicht so weit weg von alten Geschichten, Sagen und bildlichen Darstellungen. Oder von dem, was religös gebundene Menschen glauben. Für Schüler und Künstler bleiben viele Fragen offen, weil es eine umfassende und erklärende Formel für den Tod nicht gibt. Und selbstverständlich wird man ihn weiterhin als Idioten bezeichnen – nicht nur in dieser Klasse – wenn er sinnlos zuschlägt und aus vermeintlich „heiterem Himmel“ hereinbricht.
Sandra Olbinghaus arbeitet als Freie Kunstpädagogin
in Berlin und organisiert unter anderem Kunstkurse an Schulen.
Foto: Václav Hollar, das Wappen des Todes, Druck