Ein Ort, an dem man sich zu Hause fühlt

Dr. Alexander Gyalokay ist der Architekt des Hospizes Köpenick. Die Berliner Journalistin Amet Bick sprach mit ihm über die Aufgabe, ein Hospiz zu planen und zu bauen.

 

Herr Dr. Gyalokay, war es für Sie eine besondere Aufgabe, ein Hospiz zu planen und zu bauen?

Ja. Neben allen praktischen Anforderungen, die es erfüllen muss, soll das Hospiz ein Ort sein, an dem sich ein Mensch in der letzten Phase seines Lebens zu Hause fühlt. Es ist
dadurch etwas ganz anderes als etwa eine funktionale Krankenhausarchitektur. Hier ziehen die Menschen für ein paar Tage ein und verlassen das Krankenhaus dann auch wieder. Aber wer ins Hospiz kommt, der weiß, dass er dort sterben wird. Dass er und seine Angehörigen Abschied nehmen.

 

Wie drückt sich das in dem Gebäude aus?

Im Zentrum steht die Gemeinschaft. Wenn man eintritt, gelangt man unmittelbar in einen großen, zentralen Wohnraum. Im Zentrum steht ein Tisch, an dem man sich zu jeder Zeit treffen kann: Gäste, Angehörige und auch Pflegekräfte. An dem man gemeinsam isst, trinkt, sich unterhält. Neben dem Tisch gibt es im Aufenthaltsraum auch noch verschiedene Sitzgruppen und ein Sofa, auf dem man gemeinsam Fernsehen gucken kann. Das Hospiz ist ja wie eine Art Wohngemeinschaft auf Zeit. Die Menschen, die hier zusammenkommen, haben ein ähnliches Schicksal. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich auszutauschen. Und um diesen zentralen Ort herum haben wir das Haus organisiert. In einer U-Form sind die 16 Einzelzimmer darum angeordnet.

 

Der ganze Bau wirkt sehr licht und offen.

Es ist eine bewusste Öffnung. Der Aufenthaltsraum hat zur Straße hin große Fenster, so dass man das Treiben draußen beobachten kann. Man soll sich nicht abgeschnitten fühlen. Wer mag, kann am Leben teilhaben. Falls aber jemand den Rückzug braucht, so gibt es auch einen kleinen Innenhof, in dem man einen Außenbezug hat, ohne raus gehen zu müssen, oder letztlich auch das eigene Zimmer.

 

Auch die einzelnen Zimmer haben durch die Terrasse einen direkten Ausgang nach draußen.

Ja, den verstehen wir als individuellen Außenraum. Hier kann jeder selbst bestimmen, wie offen und licht er den gern haben möchte. Jede Terrasse hat Holzläden, die man beliebig verschieben kann. Und die zudem dem gesamten Haus als Gestaltungselement einen einheitlichen Charakter verleihen.

 

Welche Ideen gab es für die einzelnen Zimmer?

Jedes Zimmer ist etwa 18 Quadratmeter groß. Neben dem Bett steht eine kleine Sitzecke, in der es auch eine Schlafmöglichkeit gibt. Angehörige können also die Nacht über im Hospiz bleiben, wenn sie es möchten. In den Zimmern haben die Gäste und ihre Familien und Freunde ihre Privatsphäre.

 

Wie haben Sie sich dem Thema „Hospiz“ genähert, bevor Sie mit der Planung angefangen haben?

Ich weiß gar nicht, ob man sich darauf wirklich vorbereiten kann. Es geht ja um das Thema „Sterben“. Ich habe den Tod von Angehörigen und Freunden erlebt, ich habe also eine persönliche Betroffenheit. Wichtig war es mir, den Menschen, der hier seine letzten Tage verbringt, und seine Eigenständigkeit und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen.

 

Welche Bedürfnisse sind das und wie kommen sie im Bau zum Tragen?

Ich glaube, dass sich das in dieser Phase stark reduzieren lässt. Ich brauche eine Privatsphäre für mich und meine Angehörigen. Die Möglichkeit, nach draußen zu gehen. Ebenso die Möglichkeit, differenziert kommunizieren zu können, also entweder in der Gemeinschaft oder privat im eigenen Zimmer. Und ich muss mich gut orientieren können, eine klare Struktur vorfinden, das Haus verstehen. Deswegen gibt es auch keine langen Gänge und kein zweites Stockwerk. Alles ist ebenerdig. Überall, wo ich bin, kann ich raus gucken. Es geht letztlich um Würde und Selbstbestimmung.

 

Dr. Alexander Gyalokay ist der Architekt des Hospizes. Er ist Partner im Architekturbüro Heinle, Wischer und Partner, das seit 50 Jahren unter anderem hochwertige Gesundheitsgebäude baut. Foto: HW+P